Das Brexbachtal – mehr als eine stillgelegte Eisenbahnstrecke!

Projekttage des Gymnasiums im Kannenbäckerland

Redaktion: Jessica Böhmer, Andre Kaufmann, Waltraud Suwelack


Kommunalpolitiker der Verbandsgemeinden Bendorf, Höhr-Grenzhausen und Ransbach-Baumbach streiten derzeit heftig um die Nutzung und Reaktivierung der stillgelegten Bahnstrecke entlang des Brexbachs: „Eisenbahntechnisch eine der interessantesten Trassen Deutschlands“ (Adolf Bongartz, Die Brex e.V.). Anwohner bangen um die Sicherheit ihrer Kinder, Eisenbahnfans und Tourismusbetriebe freuen sich auf eine Wiederbelebung der Bahnstrecke: Ein lauter Streit.
„Wird nicht etwas übersehen?“ fragt sich die 16-köpfige Projektgruppe, die sich auf den Weg macht, einen kleinen Teil des Tals mit Entdeckeraugen im wahrsten Sinne des Wortes „unter die Lupe und vor die Linse zu nehmen“. Ein Blick in die Wanderkarte verspricht eine reich gegliederte Landschaft, in der auf kleinstem Raum eine Fülle verschiedener Biotope mit spezifischer Artenvielfalt zu erwarten ist: Ideal für die Mitmachaktion beim GEO-Tag der Artenvielfalt. Heute steht nicht die Tal-Nutzung sondern die Natur-Erkundung im Mittelpunkt und vielleicht ist es möglich, den streitenden Parteien einen neuen Aspekt aufzuzeigen ....
Am ersten Projekttag wird das Revier erwandert: Wildwiesen am Taleingang, Hochwald, Niederwald, Steilhänge, Tümpel, Bach und last not least die Eisenbahnstrecke mit Schotterflächen und Tunnel. Alle augenblicks ändert sich die Landschaft mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt. Nur langsam kommt die Gruppe voran: „Iiih, hier krabbelt was“, „Guck mal, schön!“ Zunächst scheint es nur zwei Sortierungen zu geben: Schön oder gruselig. Das ändert sich bald: Mit den ersten Artenbestimmungen beginnt sich der Blick zu schärfen, das Besondere auch im Kleinen und Unscheinbaren wird entdeckt, und das Objekt unter der Lupe macht Staunen. „Wie kann man das alles beim normalen Spazierengehen übersehen?“, fragt Jessica. Sie lernt heute, dass man nur das sieht, was man kennt.
Kennenlernen braucht Zeit. Und so kommt die Gruppe langsam vorwärts. Von Langeweile redet niemand und man wundert sich, wie spannend ein Aktionsradius von 3 Metern werden kann: „Die Ameisen transportieren Larven, was machen die damit?“, „Warum haben die Pflanzen am Waldrand soviel größere Blattflächen als die auf der Wiese?“, „Warum finden wir im Wald keine Heuschrecken?“, „Warum wächst unter den Fichten nichts?“ .... Aus Entdeckungen werden Fragen. Aus den „Krabbeltieren“ werden Insekten, Asseln, Spinnen, Weichtiere,Würmer, Hundert- und Tausendfüßer ... die Neugier besiegt die Berührungsangst und der eine und andere freut sich am Kribbeln, das der Tausenfüßer auf dem Handrücken auslöst. Noch mehr Spannung gibt es bei der Durchquerung eines farn- und moosbewachsenen Felshanges und im Eisenbahntunnel, in dem Fledermäuse vermutet werden.
Der nächste Exkursionstag steht im Zeichen der Artenvielfalt. Neben der Lupe wird das Bestimmungsbuch zum Handwerkszeug. Die Gruppe teilt sich - nicht jeder bringt die Geduld mit, Tiere und Pflanzen bis zur Art zu bestimmen. Da heißt es ganz genau hinsehen. Andere sind schnell und haben „Fangglück“. In den Becherlupen finden sich „noch nie gesehene und sicher ganz seltene Insekten“, und die Gruppe staunt nicht schlecht, wenn das Vorkommen im Buch mit „häufig“ bezeichnet wird. Wie kommt es, dass wir das noch nie gesehen haben? „Man sieht eben nur, was man kennt“, das wird nun jedem klar.
Und dass nichts bleibt, wie es ist, wird auch deutlich: Tote Baumstämme sind nicht tot, sondern vielfältig besiedelt, Uferflora kämpft gegen ostindisches Springkraut, Schmetterlinge paaren sich und werden neue Schmetterlinge hervorbringen, Leben ist Veränderung. Und manche Veränderung kommt dem Menschen zugute: Aus den Platterbsen (lecker!) wurden Gartenerbsen und aus der Wildmöhre (wäre beinahe übersehen worden) konnte die Karotte gezüchtet werden. Johanniskrauttee hellt die Stimmung auf und überhaupt ist vieles nützlich. Die Natur ist Garten und Apotheke zugleich. Und wieder ist er da, der Nutzen-Aspekt ... wenn auch nicht in Zusammenhang mit einer Eisenbahnfahrt.
Wie war`s?
„Die Erfahrung, die Natur nicht nur anzusehen, sondern auch zu erkunden und zu erforschen war für uns bereichernd. Sicher werden wir jetzt auch bei einfachen Spaziergängen unser Wissen erweitern und das anderen erzählen wollen“ – mit diesen Worten verabschieden sich Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 7, 10 und 11, die sich über die Jahrgangsstufen hinweg als Gemeinschaft erleben durften.

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